Sehr geehrte “WELT”!

Dass sich der Springer-Verlag seit Jahren darauf spezialisiert hat, mit Halbwahrheiten, völlig überzogenen Verdrehungen von Fakten und teils schlichten Erfindungen Stimmung gegen sogenannte “Hartz-IV-Empfänger” zu schüren, ist ja bekanntlich keine neue Erkenntnis. Was Ihr da allerdings im Artikel “Warum sich jemand bewusst für Hartz IV entscheidet” vom 08.04.2013 verlauten lasst, ist eigentlich an Unverschämtheit nicht mehr zu überbieten. Da reiht sich Satz für Satz und Beleg für Beleg ein Widerspruch an den anderen, der jedem mit der Thematik vertrauten Leser sofort die Zornesröte ob solch dreister Hetze ins Gesicht treibt.

Wieso ich zu der Annahme komme, dass in Eurer Redaktion ein begnadeter “Märchenonkel”  Eure Artikel über angebliche Erwerbslose, die es sich in der “sozialen Hängematte” richtig bequem machen, frei aus der Phantasie zusammen reimt? Ich will es Euch gerne anhand einiger Beispiele erläutern, die dem nicht betroffenen Leser aus Unkenntnis wohl kaum auffallen, bei Betroffenen jedoch sofort die “Lügenglocke” schrillen lässt.
Nehmen wir beispielsweise einmal den angeblichen Auszug aus dem “Onlinebanking” der angeblichen Erwerbslosen Eures schönen Märchens:
Hier stimmt schlichtweg gar nichts! Der Buchungstag ist (von Pannen und Verzögerungen mal abgesehen) stets der letzte Tag des Vormonats, da das Gesetz besagt, dass die Regelleistung dem Empfänger am ersten Tag des Monats zur Verfügung zu stehen hat. Liegt beispielsweise ein Monatserster auf einem Montag, erfolgt die Gutschrift in der Regel bereits am vorausgehenden Freitag.
Auch der Regelsatzbetrag in Eurem Pamphlet entspricht nicht dem aktuellen Regelsatz von 382 Euro, dürfte also kaum vom 01.03.2013 sein.
Weiter geht es bei der angeblich getrennten Ausweisung von Regelsatz und Miete: auch dieses ist im Onlinebanking bei keiner mir bekannten Bank der Fall, da lediglich der Gesamtbetrag aus Regelsatz und KdU (Kosten der Unterkunft = Miete plus Heizkosten) ausgewiesen wird.

Der in Eurem angeblichen Onlinebanking-Auszug angegebene Auftraggeber “Jobcenter Friedrichshain” ist ebenfalls nicht schlüssig. Ich beziehe meine Leistung von eben diesem Jobcenter und  Auftraggeber der Überweisung ist ausnahmslos die “Bundesagentur für Arbeit”, da alle Überweisungen der Jobcenter zentral über Nürnberg angewiesen werden.
Auch der angegebene “Verwendungszweck” wird wohl eher Ihrer ungezügelten Phantasie entspringen, da es bereits seit mehreren Jahren gesetzliche Regel ist, dass bei Überweisungen aus Datenschutzgründen lediglich eine Kennziffer aus der sogenannten “BG-Nummer” nebst eines Identifizierungs-Zahlencodes übermittelt wird (siehe Screenshot der Detailansicht meines Onlinebanking-Auszuges)

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Liebe WELT, bei so viel “gequirltem Mist” gleich zu Beginn des Artikels braucht man sich natürlich nicht mehr viele Gedanken um den Informations- oder gar Wahrheitsgehalt des restlichen Artikels machen – kritische Leserinnen und Leser machen das bei Springer-Produkten wohl ohnehin nicht mehr. Dass aber unbedarfte und mit der Thematik nicht vertraute Leser Eures Blattes derart plump und dreist hinters Licht geführt werden und wieder einmal ganz bewusst schlechte Stimmung gegen von Erwerbslosigkeit Betroffene gemacht wird, ist ein sich wiederholendes Armutszeugnis für die Menschen in Eurer Redaktion, die sich allen Ernstes immer noch “Journalisten” nennen. Mit welcher Berechtigung bitte, Ihr Schmierfinken?

84 Kommentare bis “Der Springer-Verlag und seine “Hartz-IV-Märchen””

  1. Durchlauferhitzer sagt:

    Schade ist, dass die Medien als Autorität dastehen und 99% der Menschen das glauben was ihnen vorgeworfen wird…

  2. Lelala sagt:

    Tja, Axel Springer Presse – sagt doch schon alles?
    Interessant ist leider: Die Welt ist hinter SPON laut IVW (siehe ivw.de) die zweitstärkste Macht im Nachrichtensegment – darum haben die auch so viel Erfolg mit ihren Lügengeschichten…

  3. [...] Kopperschlaeger.net: Der Springer-Verlag und seine “Hartz-IV-Märchen” (via [...]

  4. Jäkel sagt:

    Ich bin Arbeitsvermittlerin in einem Jobcenter und möchte mich an dieser Stelle einmal zu meinen Kunden bekennen.98% meines Kundenstammes möchte unbedingt arbeiten, um ihr Leben selbstbestimmt zu leben.Kein Mensch möchte auf andere angewiesen sein und sein Essen bei der Tafel abholen, besonders dann nicht wenn Kinder da sind. Fakt ist, Arbeitslosigkeit fördert grenzüberschreitende Depression. Ich bewundere meine Kunden jeden Tag auf`s neue für ihr Ducrchhaltevermögen und für den ungebremsten Optimismus.Ich versuche meinerseits Mut zu geben und aufzubauen. Ein Arbeitsplatz ist wichtig,um sich zu beweisen und Sozialkontakte zu ermöglichen.Es sollte jedoch idealerweise einer sein, der eine Familie in der Lage sein lässt davon leben zu können. Diese Diskrepanz zwischen Lebenshaltungshaltungskosten und Einkommen sollte erkannt werden. Hartz-Empfänger sind positive Menschen,die auf Grund von Lebenssituation, Alter, oder Krankheit an dieser Stelle gerade stehen. Ich bitte Euch gebt nicht auf,Ihr seid super und ihr werdet alles schaffen, was Ihr möchtet.

  5. Harald Blumenau sagt:

    Vielen Dank, für den informativen Artikel. Habe ebenfalls einen Beitrag verfasst und ihn an diverse Webseiten verschickt, in dem ich auch auf den Beitrag verlinke.

    Hartz IV: So dreist lügt die Welt am Sonntag

    https://www.freitag.de/autoren/harald-blumenau/hartz-iv-so-dreist-luegt-die-welt-am-sonntag

    Die Welt konnte mit diesem Machwerk bereits 375, teils wirklich gruselige Kommentare, generieren. Ich finde es wichtig eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen, um diesen Gossenjournalismus aus dem Hause Springer als das zu entlarven, was er wirklich ist, geistiger Dünnschiss ohne Realitätsbezug!

  6. Selbstverständlich ist die “Home-Story” von “Susanne Müller” scripted reality. Falls überhaupt.

    Denn es sind ja keineswegs nur der falsche Überweisungsbetrag oder der nichtzutreffende Überweisungsbetreff. Da ich nun mal ein wenig zahlenaffin bin, stachen mir sofort die vermeintlichen Lebenshaltungskosten für Nahrungsmittel ins Auge.

    Lassen wir einmal dahingestellt, dass Susanne M. nur frühstückt und dann erst wieder zu Abend isst. Das soll es ja geben, auch wenn dies alles andere als die Regel ist. Nun frühstückt sie allerdings für 3,50 Euro in einem Cafe und verbraucht fürs Abendbrot (allein nur für die Kartoffeln und die Eier!) weitere 2 Euro. Das sind schon 5,50 Euro. Keine Zutaten, keine Getränke, kein Nichts. 5,50 Euro mal 30 Monatstage (pauschal) ergeben (sicher nicht nur bei mir) 165 Euro. Dennoch gelingt es ihr, mit 120 Euro monatlich für Nahrungsmittel auszukommen. Eine Gleichung, deren Lösung mir beim besten Willen einfach nicht gelingen will.

    Nein. Diese “authentische” Geschichte mit “nur verändertem Namen” ist ein weiterer Baustein zur Stigmatisierung armer und arbeitsloser Menschen in diesem Land. Neben all den scripted reality-Sendungen quer durch alle Sender, all den hochgeschriebenen Arno Dübels, den Florida-Rolfs. Neben den “Es gibt kein Recht auf Faulheit”-Äußerungen Zigarre-paffender Gazprom-Manager, den “Parasiten”-Verhetzungen in regierungsamtlichen Broschüren eines Ministers, diversen Unterstellungen, Beleidigungen und Stigmatisierungen eines Hobby-Genetikers, verschiedenen “Hängematten”, welche in “römischer Dekadenz” im warmen Sommerwind baumeln, regelmäßigen, halbseitigen Seite-1-”Anzeigen” des “Welt”-Schwesternblattes über “Deutschlands frechsten Arbeitslosen” oder “Deutschlands faulsten Arbeitslosen” oder scheinheiligen Diskussions-Simulationen in diversen “Bedürfnisanstalten” öffentlich-rechtlicher oder privater Bauart, ob denn Arbeitslose überhaupt arbeiten wöllten. Und, und, und.

    Dieser Artikel reiht sich nahtlos in all diese Stigamisierungen ein. Er trägt zu dem Klima bei, das Prof. Heitmeyer in seiner Langzeitstudie “Deutsche Zustände” mit dem Begriff der “gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit” treffend bezeichnet hat. Dazu hat die “Welt”, nicht zum ersten Male, beigetragen. Glückwunsch!

    • Frank sagt:

      Die “Zeitung” gehört ohne Umweg in den Müll.
      Da hilft auch der Versuch nicht sich ein seriöseres und kritisches Image zu verpassen, das von Bild angestrebt wird.
      Von meiner Seite kann ich nur nahelegen dem Fokus auf die skrupellosen Methoden der Bild-Berichterstattung weiterhin zu lenken und die ahnungslosen zu befreien..!

  7. Bei soviel gequirltem Mist muss man sich nicht nur keine Gedanken um den Wahrheitsgehalt des restlichen Artikels machen. Man kann den Artikel auch als einen typischen ansehen, nur kann man hier den Wahrheitsgehalt, anders als bei anderen Artikeln, leicht selbst beurteilen.

    Man muss sich also keine Gedanken über den Wahrheitsgehalt des restlichen Blattes machen.
    Leider führt ein solcher Realitätsabgleich aber nicht nur bei der Welt zu einem solch traurigen Ergebnis. Es ist leider eine typische Erscheinung für den “man weis doch, dass” Journalismus.

  8. Matthias sagt:

    Leider machen sich nicht nur Springerjournalisten in Bezug auf Hartz IV es viel zu einfach. Zunächst stellt sich der auflagenorientierte Journalist offensichtlich ein “interessantens” Szenario zusammen, und danach werden alle verfügbaren Fakten dahingehend zusammengesetzt, Unpassendes außen vor gelassen und Fehlendes hinzuerfunden (oder mindestens durch tendenziöse Wortwahl suggeriert).
    Das einzig Bedenkenswerte daran ist, dass es vermutlich gar keine spezielle Absicht dieser gedankenverlorenen und verantwortungslosen Journalisten ist, ausgerechnet die Hartz IV Empfänger – oder überhaupt sozial Schwache – zu schädigen oder zu diffamieren. Es hätte auch jede andere Gruppe treffen können, wenn es gerade “en vogue” wäre.
    Dieselben Schreiber, die heute noch gegen Hartz IV polemisieren, schreiben morgen (theoretisch, wenn die Verlagspolitik oder die gesellschaftliche Stimmung dafür Nährboden bieten sollte) für oder gegen die Eigenheimzulage, oder für oder gegen die Pendlerpauschale ihre Artikel.
    Das ist das zwar einerseits tröstlich (weil es ohne böse Absicht in Bezug auf die Sache geschieht), andererseits umso trauriger (weil es einen vollkommen teilnahmslosen, selbstbezogenen Charakter dieser Journalisten offenbart).
    Alles, was in der Presse steht, sollte man daher entsprechend skeptisch betrachten, und – wenn es einem relevant erscheint – auf Plausibilität prüfen. Allerdings unabhängig davon, ob eine Meldung die eigene Meinung bestätigt oder ihr zuwider läuft. Und sich davon frei machen, ob sich irgendwelche Leute von solchen “Meldungen” beeinflussen lassen, denn die Meinung dieser Leute ist dann ja genauso oberflächlich wie die eigentlichen “Meldungen”. Hier sollte man kühlen Kopf bewahren und sachlich dagegenhalten. Von daher: Chapeau für die saubere Klarstellung hier im Artikel!

  9. EinfachLeben sagt:

    Teile und Herrsche als Prinzip der SchmierenJournalie, nirgends wird das deutlicher als bei diesem Thema. Hetze gegen Menschen(!), die aufgrund des politisch/gesellschaftlich herbei geführten Ungleichgewichts der Vermögenswerte auf die Unterstützung der Allgemeinheit angewiesen sind, als die Täter und die Sozialsysteme als die Opfer darzustellen ist nicht nur grober Unfug, sondern u.U an der Grenze der Agitation anzusiedeln! An Stelle des Verfassers dieses Artikels hätte ich mich vor Vollendung dieses Pamphlets sicher mehrmals übergeben müssen… Doch was tut man nicht alles für den Broterwerb, oder?

  10. @ Inkmouse.DE sagt:

    Hallo Frau Spoerr

    Vielleicht sollte man den Lesern Ihrer Schmunzille erst einmal nahe bringen, dass das Experiment “neue soziale Marktwirtschaft”, dass die Bundesregierung so vollmundig propagiert,schneller gescheitert ist, als alle anderen Änderungsversuche des Systems, bzw der Gesellschaft.
    Sachlich gesagt, erklären Sie doch mal Ihren Lesern, seit wann es wieder salonfähig geworden ist, gegen Schwächere in unserer Gesellschaft hetzen zu dürfen.
    Nicht nur, dass die Angaben der Beträge in Ihrem Pamphlet, anders kann man es wohl kaum nennen, nicht annähernd richtig sind.
    Komisch auch, dass solche “Vögel” immer in einem Wahljahr auftauchen..
    Soll man da nun an die berühmte “Saure-Gurken-Zeit” , oder doch eher an “Zeitungsente” denken?
    Fakt ist, dass enorme Summen von Steuergeldern für Änderungen des Sozial-Systems verschwendet worden sind. Unter anderem, für die Anbieter von 1-€-Beschäftigungen, BAG-Gremien, Umstellung der Arbeitsämter, Schulung der Mitarbeiter, Druck-Erzeugnisse, (allein die DEKRA hatte jährliche Einkünfte von mehr als 60 Mio €), die Klage-Welle auf den Sozialgerichten, BGH-Urteile, Rechtsanwälte, u.v.m. .
    Und auch die Berechnungsgrundlage der jetzt gültigen Regelsätze, ist nebulös verschleiert.
    Und wird , bis zum heutigen Tage, von Ministerin von der Leyen unter Verschluss gehalten.
    Obwohl die Ministerin zur Transparenz angehalten, sogar verpflichtet worden ist, laut einem Urteil des BGH (2010).
    Dies ist ein weiteres Indiz, dass man den Sozialbetrug nicht bei den Beziehern staatlicher Leistungen zu suchen hat, sondern bei der Koalition, selbst.
    Täuschen, tarnen und verpissen, das scheint wohl immer noch das Hauptgeschäft von Politikern zu sein, die sich gerne, im Namen des Volkes, bezahlen lassen, aber immer noch eine Hand übrig haben,um von Ihrer Lobby ein Zubrot zu kassieren.Nur leider bleiben in dieser Art des Systems die Erwerbslosen auf der Strecke.
    Wie sonst sollte man sich erklären, dass fast jeder Bezieher von ALG II in die Lage kommt, von sozialen Einrichtungen, wie beispielsweise den Tafeln, profitieren zu müssen.
    Weil sonst die Hilfe zum Leben einfach für den Monat nicht reicht.
    Hier sei für Sie der Hinweis bestimmt hilfreich, sich mal eine “echte” Familie, mit 3 Kindern
    ( Gruppe zwischen 07-13 Jahren) zu suchen und zu interviewen..
    Ich wette, Sie werden erstaunt sein..
    Zu sehen, dass diese Klientel nicht annähernd dem , von Ihnen gezeichneten, Bild entspricht.
    Man sprach von einer Re-Sozialisierung der Gesellschaft. Meinte man damit, dass man Arbeitnehmer durch “Knebel-Verträge” ihrer Rechte beraubt? Und denken die , die diese Verhohnepipelung für bare Münze nehmen auch daran, wenn sie ihre Arbeit verlieren, dass sie erst persönliches Kapital angreifen und verbraucht haben müssen, bevor sie in den Genuss von ALG I, sowie nach einem Jahr selber in die Situation von einem Hartz IV-Bezieher kommen werden ?
    Wenn die Leute wach geworden sind und aufbegehren, wie will man dann erklären, dass man den doch nur “das Beste” wollte?
    Und doch wirklich eigenartig.. dass man Beziehern von Hartz IV das Recht auf Bildung abgesprochen hat…
    Wir brauchen keinen künstlich erzeugten Sozialneid!
    Was wir brauchen sind sozial kompetente Politiker.. Und diese brauchen noch nicht mal einen Doktortitel..
    Demokratie und Verantwortungsgefühl gegenüber den Bürgern sieht wirklich anders aus.
    Und man sollte sich wirklich mittlerweile fragen, wo fängt in Deutschland das “Mensch-sein” an?
    Beim Bank-Konto… oder vielleicht, wie man ,am besten durch Lügen, die Leute hinter das Licht führt?
    Was dieses System den Bürgern zu bieten hat ist Resignation und die Gefahr Depressionen zu erleiden, bis hin zum SUIZID… Aber diese Toten zählt ja wohl niemand, besonders nicht der Springer-Konzern..

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