Manchmal muss man sich gar nicht die Mühe machen, sich selber unter Einsatz von viel Zeit und Mühe satirische Texte zu ersinnen, denn das sogenannte “wahre Leben” ist eine schier unerschöpfliche Quelle für Texte, die zwar (leider) mit todernster Intention daher kommen, aber eigentlich bei nüchterner Betrachtung (man verzeihe mir den billigen Wortwitz) jede mühevoll ersonnene Satire in den Schatten stellen.

Ein solches Werk ist beispielsweise der Referentenentwurf zu den neuen Regelsätzen “Hartz IV” aus dem Hause des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, in dem auf wundersame Art und Weise in scheinbar ernsthaftem “wissenschaftlichen Bemühen” Wein zu Wasser verwandelt wird:

In der Sonderauswertung EVS 2003 waren in Abteilung 02 alkoholische Getränke zu 100 % regelsatzrelevant. Alkohol stellt allerdings ein gesundheitsgefährdendes Genussgift dar und gehört als legale Droge nicht zu dem das Existenzminimum abdeckenden Grundbedarf. Daher wird Alkoholkonsum nicht mehr als regelbedarfsrelevant berücksichtigt. Wird auf Alkohol verzichtet, muss die damit verbundene Flüssigkeitsmenge allerdings zumindest zum Teil durch alkoholfreie Getränke ersetzt werden. Daher wird statt der Ausgaben für Alkohol in Abteilung 01 ein zusätzlicher Betrag für alkoholfreie Getränke anerkannt.

Dieser Betrag berechnet sich folgendermaßen:
Nach der Sonderauswertung wurden für Einpersonenhaushalte der Referenzgruppe im Jahr 2008 durchschnittliche Verbrauchsausgaben von 8,11 € für alkoholische Getränke ermittelt. Davon entfielen – nach dem Wägungsschema des allgemeinen Preisindex – rechnerisch 11,35 % für Spirituosen, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht dem Zweck der Flüssigkeitsaufnahme dienen. Es verbleiben dann von den 8,11 € noch 7,19 € für alkoholische Getränke, die durch alkoholfreie Getränke zu substituieren sind.

Es gibt für die Umrechnungen des Preises alkoholischer in alkoholfreie Flüssigkeitsmengen keine Vorgaben, so dass hier eine Plausibilitätsrechnung erforderlich ist. Für 7,19 € lassen sich etwa 12 Liter preiswertes Bier kaufen. Im Durchschnitt sind Bier oder gar Wein deutlich teurer, so dass sich ein deutlich niedrigeres Volumen an zu substituierender Flüssigkeit ergeben würde. Ausgehend von 12 Litern Flüssigkeitsbedarf ergibt sich das maximal durch alkoholfreie Getränke zu substituierende Flüssigkeitsvolumen. Da die Flüssigkeitsmenge mit einem preisgünstigen Getränk berechnet wurde, ist es angemessen, auch die alkoholfreien Getränke mit dem niedrigpreisigem Mineralwasser anzusetzen. Für die anzusetzenden 12 Liter Mineralwasser wurde ein Betrag von 2,99 € eingesetzt, für den Supermärkte flächendeckend eine entsprechende Menge Mineralwasser anbieten. Legt man die Preise der preisgünstigen Discounter für 1,5 Liter Mineralwasserflaschen zugrunde, ergibt sich für 12 Liter Mineralwasser sogar nur ein Preis von 1,52 €. Bei den als regelbedarfsrelevant berücksichtigten 2,99 € ist also bei preisbewusstem Einkauf durchaus Spielraum für Saft oder andere alkoholfreie Getränke. Diese 2,99 Euro werden bei Abteilung 01 zusätzlich berücksichtigt.

Quelle: http://www.bmas.de/portal/47972/property=pdf/2010__09__26__referentenentwurf__regelsaetze__sgb2.pdf – Seite 19 ff.

Dazu auch der Hinweis auf einen lesenwerten Artikel beim Kollegen “weissgarnix”, der sich mit dem Thema “Hartz IV als moralische Besserungsanstalt” beschäftigt.

Nachtrag: Eine meines Erachtens sehr wichtige Frage beachtet der Referentenentwurf aus den Hause der Frau von der Leyen sträflicher Weise überhaupt nicht, nämlich die berechtigte Frage danach, wie viel finanzieller Aufwand im Monat realistisch betrachtet eigentlich notwendig wäre, um sich diese Regierung und ihre unerträgliche Politik schön zu saufen – oder zumindest erträglich…

4 Kommentare bis “Papst bescheinigt Wunder: Wein zu Wasser verwandelt”

  1. jörn sagt:

    Zum Schönsaufen der Regierung bleibt mir im Prekariat nur noch der gute, alte Spiritus? Hoffentlich verpuffe ich nicht als Raucher…

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    • kopperschlaegerdotnet sagt:

      Der Begriff “sozialverträgliches Ableben” ist mir ja mittlerweile durchaus geläufig, aber die Variante der “sozialverträglichen Verpuffung” kannte ich bislang noch nicht…

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  2. olli sagt:

    Und Skandal! Der Kaloriengehalt, den 12 Liter Bier enthalten wurde, nicht ersetzt. ;-)
    Da hätten sie aber großzügiger weise ein paar Scheiben Brot mehr reinrechnen müssen!
    Obwohl der Alkoholgehalt von Kwass reicht bei weitem nicht aus sich die Merktnixtruppe schön zutrinken.

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    • kopperschlaegerdotnet sagt:

      Nein, wohl wahr! Um sich die Truppe schön zu trinken, müsste der Regelsatz glatt vervierfacht und mindestens eine Lebertransplantation mit einkalkuliert werden…

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