Anfang des Jahres forderte das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung unmissverständlich auf,  „in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren” das Existenzminimum von Kindern und Jugendlichen zu definieren und umzusetzen. Was seither über die einschlägigen Medien aus dem Bundesarbeitsministerium an die Öffentlichkeit dringt, verdient eigentlich nicht einmal die Bezeichnung Farce.

So scheint sich Frau von der Leyen eher mit Kosmetiktipps denn mit einer sachgerechten Umsetzung des BVerG-Urteils zu beschäftigen, wie hanebüchene Diskussionen um eine neue Namensgebung für das allgemein “Hartz IV” genannte Gesetzeswerk beweisen. “Basisgeld” als Neusprech für das nach dem vorbestraften Namensgeber Peter Hartz benannte Regelwerk soll das rundum schlechte Image der Grundsicherung aufzubessern helfen und der Bevölkerung Sand in die Augen streuen. Als würde das Image der bei den Betroffenen allseits gefürchteten Argen, JobCenter und Optionskommunen, welche für die Verwaltung und Sanktionierung von Langzeitarbeitslosen zuständig sind, alleine dadurch besser, dass man sie in Zukunft liebevoll “Ponyhof” nennt. Als würden “Sanktionen”, also die Kürzung des eigentlich als Grundsicherung veranschlagten Regelsatzes, für die Betroffenen weniger existenzbedrohend, wenn wir sie zukünftig “Motivationsbeihilfe” nennen – da hungert es sich doch gleich viel angenehmer.
Ich grübele nunmehr schon seit Stunden, wie wir eigentlich demnächst unsere Bundesregierung nennen, denn wenn ich irgendetwas in diesem Lande mit einem negativen Image verbinde, dann wohl diese Regierung.

Aber wenden wir uns lieber wieder den Gerüchten aus der Giftküche des Arbeitsministeriums zu. So war erst kürzlich in der Süddeutschen zu lesen, dass für die Modellrechnungen zur Ermittlung des Regelsatzes bislang der Verbrauch der unteren 20% der Verbraucher herangezogen wurde, nun aber in Erwägung gezogen werde, sich künftig an den ärmsten 15% der Bevölkerung zu orientieren. Es entsteht der Verdacht, dass die Regierung wieder einmal versucht, durch statistische Taschenspielertricks das eigentlich unmissverständliche Urteil des Bundesverfassungsgericht zu unterlaufen und ein weiteres mal sehenden Auges in den Verfassungsbruch zu steuern. Das sieht auch Dr. Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes so – auf  ”fair berichten”  findet sich dazu ein sehr lesenswerter Artikel:

“Für Schneider ist das Verfahren, nach denen die Regelsätze von den Ausgaben der Geringverdiener abgeleitet werden, grundsätzlich nicht in Ordnung. Es würde der Realität überhaupt nicht gerecht. „Das Verfahren hat mit der Frage, was man in Deutschland zum Leben braucht, nichts zu tun“, erklärt der Geschäftsführer. Wenn die Statistik zeigen würde, dass die unterste Einkommensgruppe nicht genug Geld für den Bildungsbedarf ihrer Kinder hat, zum Beispiel für einen Internetanschluss, den man in der Oberstufe braucht, dann würde sich dieser Mangel von der Statistik in den Regelsatz übertragen. Sprich: Kindern aus Hartz-IV-Familien wird die Möglichkeit eines Internetanschlusses abgesprochen, da sich Menschen der unteren Einkommensgruppe diesen ohne Hartz IV nicht leisten können. Das ist jedoch eine klare Benachteiligung der Bildungschancen von Kindern armer Familien. „Das kann nicht richtig sein“, mahnte Schneider.”

Die zahlreichen Nebelkerzen, die mit Begriffen wie Sozialkarte, Familienlotse und einer angestrebten Umbenennung in “Basisgeld” in den letzten Wochen im Bundesarbeitsministerium gezündet wurden, lassen jedenfalls nichts Gutes erahnen für die Millionen von Erwerbslosen und Aufstockern, die seit Jahren zurecht über die nicht bedarfsdeckende Ausgestaltung der “Hartz IV-Gesetze” klagen.
Und der immer offener zutage tretende  Zynismus, mit dem die Gesellschaft den “wirtschaftlich nicht Verwertbaren” entgegen tritt, braucht keine westerwell`sche “spätrömische Dekadenz” oder die kruden Thesen eines Sarrazins, um jedem noch halbwegs über gesunden Verstand verfügenden Menschen vor Augen zu führen, dass wir uns gesellschaftlich immer mehr von dem entfernen, was man noch guten Gewissens als “fortschrittlich” oder gar “aufgeklärt” bezeichnen könnte.

Die sprachlichen Taschenspielertricks, mit denen das allzu Offensichtliche einer menschenverachtenden Verschleierung unterworfen wird, sind vielfältig – man betrachte als Beispiel, dass die wie Pilze aus dem Boden schießenden Armenküchen landauf, landab zu vornehmen “Tafeln” umgedichtet werden – Altkleiderkammern werden werblich kreativ zu “Anziehpunkten” umgedichtet. Es darf bezweifelt werden, dass dieses geschieht, um die Betroffenen nicht unnötig zu stigmatisieren (auch wenn das meist die offizielle Begründung ist), vielmehr will man wohl vor den noch nicht Betroffenen verbergen, welch Elend mittlerweile inmitten unserer Gesellschaft Einzug gehalten hat.

Und auch, dass sich im Umfeld dieses Elends mittlerweile ein Wirtschaftszweig breit gemacht hat, der in kritischen Kreisen offen als “Armutsindustrie” bezeichnet wird, sieht man lieber nicht so gerne in der Öffentlichkeit. Sind doch die Hauptprofiteure all zu oft gerade die, die sich das “Soziale” und “Menschliche” auf die Fahnen geschrieben haben, jedoch mit ihren vielleicht sogar “gut gemeinten” Aktivitäten geradezu eine Zementierung des Elends herbeiführen. Denn immer öfter vernimmt man, dass bei den zuständigen Behörden um Hilfe Nachsuchende anstelle konkreter Hilfe den zynischen Ratschlag erhalten, sich zur Überbrückung von Notlagen doch an die örtliche “Tafel” zu wenden.

Hilfe in Notlagen ist jedoch ein Rechtsanspruch des Bürgers, und dass dieser nicht durch “Tafelspenden” ersetzt werden kann, sollte wohl einleuchten, denn es gibt nun einmal keinen Rechtsanspruch auf Mittel aus den Armenküchen – sind die Lebensmittelreste – der Wohlstandsmüll –  alle, gibt es nichts mehr zu verteilen. Wobei ich die Frage, wie moralisch verkommen eigentlich eine Gesellschaft ist, die einen stetig wachsenden Anteil an Millionären verzeichnet, die finanziell Schwächsten der Gesellschaft jedoch im wahrsten Sinne des Wortes mit dem “abspeisen” will, was sie scheinbar nicht mehr selber zu fressen gewillt ist, mal ganz außen vor lasse.

Bleibt eigentlich nur zu hoffen, dass der Herbst wirklich heiß wird und auch die Gewerkschaften, anstatt gegen sinkende Rüstungsausgaben zu wettern, sich endlich mal wieder ihrer sozialen Verantwortung bewusst werden. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt!

2 Kommentare bis ““Arge” heißt jetzt “Ponyhof”?”

  1. [...] einer Umbenennung von “Hartz IV” würde sich wohl ebenfalls die von kopperschlaeger.net befürwortete Umbenennung der “Arge” in “Ponyhof” [...]

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  2. Hartz IV soll eingemottet werden. Neuer Name und alles wird gut? - Seite 2 - Erwerbslosen Forum Deutschland (Forum) sagt:

    [...] [...]

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